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Das windige Hobby an der langen Leine

Drachenfest am Strand von Brasilien

Wenn sich Pinguine mit Braunbären und Delfinen treffen und gemeinsam im falschen Element ihre Kreise ziehen, dann kann das nur eines bedeuten:
Es ist Drachenfest und dort darf jeder abheben, der ein paar physikalische Grundgesetze beherzigt. Was die Zuschauer am Wochenende in Brasilien erfreute, bedeutete für die Drachen-bändiger allerdings schweißtreibende Arbeit.

Von Heike Stüben (Text) und Uwe Paesler (Fotos)

Christian Laskowski, genannt Pumuckl, konnte es sich am Sonnabend aber erst einmal gemütlich machen.
Sein riesiger Bart Simpson konnte nicht in die Luft gehen, weil er sich dabei am Würstchengrill heiße Füße geholt hätte. Der Wind aus Ost/Südost, dazu der recht schmale Grünstrei-fen auf dem Deich – unter diesen Bedingungen mussten die großen Drachen erst einmal am Boden auf bessere Zeiten warten.

Was die echten Drachenbesitzer nicht schockte, weil sie immer diverse Luftikusse im Gepäck haben. Peter Hartnack aus Gettorf etwa ist Herr über 60 Drachen. Dabei betreibt der Leiter einer EDV-Abteilung das windige Hobby erst seit gut drei Jahren. „Damals hatten wir ein Drachenfest in Dänemark erlebt, waren total begeistert und haben den ersten Drachen gekauft“, erinnerte sich Sohn Jörn (14), während der Vater gerade eine sieben Meter große Ente in den Himmel schickte. „Die haben wir selbst genäht, also erst Schablonen gemacht, die Bahnen aus Fallschirmseide zugeschnitten, dann eine Nähmaschine angeschafft und alles zusammengenäht“, er-zählte Peter Hartnack anschließend.
Zwischen 150 und 750 Euro werden für solch einen Drachen an Materialkosten fällig, in die Handarbeit wird ein paar Wochen lang die Freizeit investiert. Und für die Riesen unter den Drachen mit 20 Meter langen Stoffbahnen wird schon einmal in der Endphase der Herstellung eine Sporthalle an-gemietet…

Auch Hartnack hatte solch einen Riesen mit, eine 25 Meter lange Turbine, die im Wind eine enorme Zugkraft entwickelt. „Das kann keiner mehr halten, deshalb haben wir beim Schmied 50 Zentimeter lange Stahlbodenhaken anfertigen lassen“, erklärte der Gettorfer, während seine Freundin Claudia Schneider schon wieder in sengender Sonne los-rannte, um Besucherscharen zu warnen –„Wenn die runter-kommt und sich richtig schnell dreht, können vor allem die Schnüre zur gefährlichen Falle werden. Aber das wissen die meisten Besucher leider nicht.“

So kamen sich auf dem Weg am Deich immer wieder Seh-leute und Drachen ins Gehege, bis der Wind ein Einsehen hatte und endlich drehte.
Und als es dann dunkel wurde, füllte sich der Strand der Ge-meinde Schönberg noch einmal, um bei fast brasilianischen Temperaturen die Nachtshow der Magdeburger Drachenfans „Elbwind“ zu erleben:
Da tanzten weiße Deltadrachen zu Mussorgskys „Das große Tor von Kiew“ und Flugsaurier zur Filmmusik von Jurassic Park, da bevölkerten merkwürdige Strichmännchen und Meeresgetier den Abendhimmel und schufen Rauch, Wunder-kerzen und ein kleines Feuerwerk für eine ganz besondere Stimmung am Strand. „Das war so schön stimmungsvoll – das ist nur noch durch ein Nachtbad zu toppen“, sagten die Kieler Silke und Mathias Heinruck und verschwanden in Richtung Wasser.

Bildunterschriften:
Bären als Luftikusse: Figurendrachen, Lenk- und riesigen Powerdrachen sorgten am Wochenende am Strand von Schönberg für bewegte Anblicke.

Schwitzten für ein himmlisches Hobby (Foto von links):
Peter Hartnack, Claudia Schneider mit Jörn brachten etliche Drachen in die Luft. Schön, aber bitte auf Entfernung: Turbinen wie dieser Drachen drehen sich so schnell, dass man Abstand halten muss – auf dem schmalen Deich von Brasilien war das nicht immer einfach.

Aus den Kieler Nachrichten vom 30.5.2005